Antikörpertest
Momentan ist eines der Themen, das man mit Abstand oder über Zoom bespricht, die Frage: „Hatte ich es schon, oder nicht?“. Gerade wer am Anfang der Pandemie, für die Jüngeren unter uns: das war vor einem guten Jahr, einen Infekt hatte, hofft, dass er es schon glimpflich überstanden hat. Die einzige, wenn auch unzuverlässige, Möglichkeit das herauszufinden ist ein Antikörpertest. Die Wahl fiel auf die „Betrobox“ eines Berliner Start-ups aus dem Umfeld der elektronischen Gesundheitsakte, das verspricht falsch-positive Ergebnisse durch einen zweiten Test zu minimieren. Die Bestellung auf der Homepage war einfach, die Bezahlung über Paypal wie immer ereignislos und eine Bestellbestätigung kam schnell an. Eine weitere Versandbestätigung gab es nicht. Das kleine Paket mit dem Testset der Firma Euroimmun AG war nach drei Tagen im Briefkasten. Bis hier war alles einfach, wie man es mit Internetbestellungen gewohnt ist. Leider endete die Einfachheit hier.
Das Testset enthält jede Menge Teile, die mit Hilfe der Anleitung schnell in die richtige Reihenfolge gebracht werden können. Diese Reihenfolge ist auch notwendig, falls man die Blutabnahme alleine und ohne helfende Hände durchführen will. Bereits der erste Blick auf die Trägerkarte raubt einem die Illusion, dass es sich hier um ein simples Piksen und auf einen Teststreifen bluten, wie man es z. B. von der Blutzuckermessung kennt, handeln könnte. Fünf, etwa einen Zentimeter durchmessende, Kreise auf einer an Löschpapier erinnernden Trägerkarte sollen vollgeblutet werden. Mit Hilfe der mitgelieferten Artikel wie Desinfektionsmittel, bestimmt steriler Lanzette, Kompresse und Pflastern ist eine hygienische Blutabnahme kein Problem. Der Hersteller hat offensichtlich schon damit gerechnet, dass mehr als ein Finger dran glauben muss, bevor die notwendige Blutmenge abgezapft ist. Jedenfalls sind Lanzetten, Kompressen und Pflaster doppelt vorhanden. Apropos Pflaster, das sind die billigsten Plastikdinger, die ich seit langem gesehen habe. Beim Öffnen erwartet man instinktiv einen fiesen Plastikgeruch, der zwar ausbleibt, aber trotzdem.
Für die tatsächliche Durchführung brauche ich zwei Anläufe, weil die Karte nach der Beblutung 3–4 Stunden trocknen soll und dabei keiner Sonne oder anderen Umwelteinflüssen ausgesetzt werden darf. Drei Stunden wären definitiv nach meiner Schlafensgehzeit. Also noch einen Tag gewartet. Es eilt ja nicht. Zur Vorbereitung auf die Blutentnahme schlägt die Anleitung vor, die Hände mit warmem Wasser zu behandeln, damit die Blutgefäße sich weiten. Waschen soll man sich die Hände vorher sowieso gründlich mit Seife. Nach dem Waschen und Wärmen soll man den Kreislauf in Schwung bringen. Zum Beispiel durch Armkreisen. Ein paar Hampelmänner mit Armkreisen später mache ich mich ans Werk. Die Lanzette funktioniert perfekt, der Piks ist kaum zu merken. Jetzt beginnt die Aktion „Blut aus dem Finger massieren, dabei berührungslos die dicken Bluttropfen in die Kreise fallen lassen“. Es geht irgendwie. Mein Körper ist wie immer etwas schüchtern beim Losbluten, aber mit einer ordentlichen Druckmassage scheint sich der Einstich zu weiten und es blutet genügend.
Nach einer angemessenen Wundversorgung wird die Karte zum Trocknen aufgestellt. Die Wunde im Finger wird auch fünf Tage später noch zu sehen sein. Ab dem dritten Tag kann ich aber wieder ohne Probleme tippen und rudern. Die Karte geht nach ihrer Trocknungszeit per Post an ein MVZ in München. Die Versandtasche aus Plastikfolie sieht wenig vertrauenerweckend aus. Besonders, weil die Anleitung extra sagt, dass die Karte nicht geknickt werden soll. Ein einfacher Briefumschlag würde hier mehr Schutz bieten. Nebenbei beschäftige ich mich nochmal mit dem Rückkanal. Der Verkäufer verweist an jeder passenden und an ein paar unpassenden Stellen auf seine App, aber es gibt auch eine Webseite, auf der man mit Registriernummer und Pin sein Ergebnis abfragen kann. Auf den Service einer Push-Benachrichtung aus der App verzichte ich. Leider, doch dazu später.
Vier Tage nach dem Geblute würde ich gerne das Ergebnis wissen. Ich kenne
es immernoch nicht. Nach der Eingabe von Barcode und Pin auf der Seite mit dem
Rechtschreibfehler (Geben Sie hier Ihren individuelle Barcode ein.
) kommt eine
lakonische Fehlermeldung mit dem Versprechen, sich zu kümmern.
Ein Blick in den HTML-Code verrät mir, dass es eine Nullpointer-Exception beim
Lesen der PIN gegeben hat. Ein Programmierfehler, der noch peinlicher ist, als
der Umstand, öffentlich Fehlermeldungen auszugeben, die Interna über die
Web-Applikation verraten.
(com.appliedappliance.doctorbox.web.CoronaUtil.getPin(CoronaUtil.java:150)
).
Aus Neugier versuche ich noch einen Barcode, den ich mir ausdenke. Jetzt erhalte
ich die Meldung, dass mein (nicht existierender) Abstrich(!) noch nicht befundet
wurde. Ich höre lieber auf, mit der Seite zu spielen.
Mich ärgert dieser Umstand auf mehreren Ebenen so sehr, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Erstens handelt es sich bei Corona-Antikörpertests im Moment um teure und unnötige Artikel, also um Luxus. Wenn ich mir Luxus leiste, muss auch das Ambiente stimmen. Zweitens ist Doctorbox, soweit ich weiß, ein Partner der Corona-Labore und Abstrichzentren. Dass die Abfrage der Ergebnisse nicht funktioniert, darf nicht vorkommen. Und drittens schreibt sich Doktorbox auf die Fahne, mit der elektronischen Gesundheitsakte die Sozialdaten der Bürger zu verwalten. Hier ist neben dem Datenschutz ein höchstes Maß an Zuverlässigkeit und Ingenieurskunst gefragt. Dass interne Fehlermeldung der Webseiten einfach so auf der Homepage ausgegeben werden, darf nicht sein.
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