Hat Heinlein recht?
Seit meiner Kindheit lese ich gerne Science Fiction. Einigermaßen diskriminierungsfrei verteilt über alle Subgenres von Atompunk (o.k., das musste ich nachschlagen) bis Utopie. Dabei vertrage ich die wirklich klassischen Autoren der Science Fiction nur in homöopathischen Dosen. Einerseits sind die Themen der Klassiker von Verne bis Asimov manchmal überholt und manchmal noch nicht aktuell. Ja, die Sonne wird ausgehen. Nein, Atomkraft ist überholt. Andererseits liegt es auch daran, dass die großen Alten in ihrer Zeit, aus ihrer Zeit heraus und natürlich auch für ihre Zeit geschrieben haben. Das Frauenbild (oder die völlige Abwesenheit des weiblichen Geschlechts) in Asimovs Foundation-Zyklus wird gerade wieder thematisiert, wobei ich mir nicht sicher bin, ob die starke mediale Präsenz von Disneys Verfilmung, oder heißt das jetzt Verserieung, der Qualität des Inhalts oder der nur einer großartigen Werbestrategie geschuldet ist.
Robert A. Heinlein ist ein Autor, den ich nur selten aus dem Regal ziehe. Aber nicht etwa, weil er nicht aktuell wäre. Zusammen mit Asimov und Clarke bildet er die „großen Drei“ der US-amerikanischen Science Fiction und ist ohne Zweifel der Militärexperte des Trios, wie sich nicht nur an Starship Troopers erkennen lässt. So lustig die Verfilmung durch Paul Verhoeven ist, so unlustig ist die literarische Vorlage. Besonders in einer Zeit, in der über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert wird. Aber Heinlein kann auch lustig. Der Protagonist aus „Die Leben des Lazarus Long“ amüsiert sich mehr als augenzwinkernd darüber, Geld vom Staat damit zu verdienen, sein Farmland nicht zu bewirtschaften.
Was mir viele Klassiker auch verleidet ist eine Erkenntnis, die sich im Laufe der Jahrzehnte bei mir eingestellt hat. Die Pessimisten behalten recht. Es mangelt nicht an Utopisten. Es mangelt auch nicht Autoren, die den richtigen Weg aufzeigen. Star Trek zeigt dem Publikum seit 55 Jahren nicht wie Utopia aussieht, sondern wie eine Gesellschaft aussieht, die sich dort hinbewegt. Leider findet sich immer noch kein Grund für Roddenberrys Optimismus in unserer Welt. Auch der mittlerweile verwirklichte Lichtblick der weltweiten, verzögerungsfreien Kommunikation hat die Welt nicht großartig besser gemacht. Denke ich jedenfalls oft, wenn ich Twitter öffne und in eine Welt von Lügen, bösartigen Anfeindungen und einer ekligen Art von barbarischer Kommunikation hereingezogen werde. Ganz anders aber bei Orwell: 1984 erscheint heute nicht mehr als Warnung, sondern als Anleitung zum Handeln. Framing, political Correctness, alternative Fakten, der Niedergang der Bildung. Die Beispiele ließen sich lange fortsetzen, nicht nur bei Orwell.
Aber zurück zu Heinlein. Nicht, dass ich mit dem Mann ein Bier trinken gegangen wäre, aber seine Aussagen sind immer wieder interessant. Besonders fasziniert mich schon seit langem der Absatz:
A dying culture invariably exhibits personal rudeness. Bad manners. Lack of consideration for others in minor matters. A loss of politeness, of gentle manners, is more significant than is a riot.
– Robert A. Heinlein, Friday
Heinlein ist das Musterbeispiel für die Sorte von Science-Fiction-Autoren, die ich nicht gerne lese, weil sie für meinen Geschmack zu oft richtig liegen.
Ich hoffe, er hat hier unrecht.